ein Plädoyer für die Unterstützung von Eltern in Krisensituationen als mögliche Alternative zu Trennung und Scheidung

Wenn heute 10 Menschen über Familie sprechen, gibt es mindestens 5 unterschiedliche Vorstellungen von einer funktionierenden Familie – unabhängig von der Familienform. „Familie“ kann viele Gesichter haben und das ist auch gut so – einerseits – wenn nur das andererseits nicht wäre, was häufig bedeutet, dass die Orientierung  für „das Richtige“ fehlt.

Anforderungen an Familien

So viele Anforderungen werden von allen Seiten an Familien herangetragen und Eltern wollen ihren „Job“ richtig machen, was bedeutet, gute Eltern zu sein und für ihre Kinder nur das Beste zu erreichen. Dabei landen sie aber häufig in einer Sackgasse – obwohl alles hoffnungsvoll und mit viel gutem Willen begonnen hat, finden sie sich oft dort wieder, wo sie niemals sein wollten. Alle Wünsche und Bedürfnisse für die gemeinsame Familie scheinen verloren gegangen zu sein und haben einem Parallelleben Platz gemacht – das Paar selbst hat sich völlig aus dem Blick verloren, da keiner mehr in der Lage ist auf den Anderen einzugehen, aber häufig von der anderen Seite viel Verständnis und Unterstützung für die eigene Situation erwartet wird.
Bundesweit wird jede dritte Ehe geschieden, in Bremen spricht man sogar von jeder zweiten! Wo bleibt der Kampfgeist für die Familie? Wohin haben sich an diesem Punkt all die Hoffnung und der gute Wille verflüchtigt? Trennung und Scheidung scheinen heutzutage ein normaler Ausweg aus Schwierigkeiten zu sein, oder fehlt hier einfach die Vorstellung von möglichen Alternativen?
Kinder sind da konservativer. Sie halten an dem fest, was sie kennen und was ihnen vertraut ist. Und sie wollen behalten, was ihnen Sicherheit gibt.
Mitten in diesem Dilemma befinden sich tagtäglich viele Eltern. Auf der einen Seite wollen sie ihren Kindern ein gemeinsames Leben mit beiden Eltern ermöglichen, auf der anderen Seite können sie sich genau das nicht mehr vorstellen, da sie keine Vorstellung mehr von „Gemeinsamkeit“ haben. Das Funktionieren, das organisierte Leben hat die Führung  in ihrem Familienalltag übernommen: die Kinder wollen versorgt, das Geld verdient sein, der Haushalt muss organisiert werden, der Einkauf erledigt und das Essen gekocht sein… Der Alltag erzeugt Konflikte, die ja eigentlich auch zum Leben dazu gehören. Aber ab einem bestimmten Ausmaß werden sie zur Krise und Eltern werden ihrer Energie und Lebensfreude beraubt. Jeder Einzelne rutscht dabei schnell in eine Rolle, in der er gar nicht sein möchte, die aber scheinbar unabänderbar festgelegt ist.

Eltern sind besondere Paare

Eltern sind besondere Paare. Sie haben sich als Paar einer großen und gemeinsamen Verantwortung gestellt: sie haben Kinder! Ein Leben lang! Und dieser Verantwortung möchten beide Elternteile so gut wie möglich nachkommen. Eltern brauchen ihre ganze Energie für eine konstruktive und nach vorn gerichtete Lebensgestaltung und eigentlich noch ein klein wenig mehr Energie, um sich auch als Paar nicht aus dem Blick zu verlieren. Das passiert aber nicht irgendwie – und auch nicht von selbst!
Zur Bewältigung des Alltags holen wir uns in allen möglichen Lebenslagen Hilfe und Unterstützung: vom Kochkurs über das Fahrtraining bis hin zur Gesundheitsberatung organisieren wir uns ohne Mühe und Scham ein gewinnbringendes und nach vorn gerichtetes Leben. Konflikte in der Familie aber werden häufig unterschätzt: in vielen Köpfen scheint die Fähigkeit „Eltern zu sein“ und gemeinsam ein Familienleben zu meistern als angeborenes Talent verankert zu sein! Gerade hier sind nicht alle Hürden allein zu bewältigen. Das notwendige Unterstützungspotential wird oft verkannt und Eltern machen Alles  mit sich selbst ab, bis es nicht mehr geht. Aus Überforderung wird dann Abwehr.
Eltern und Familie sein, das kann doch  irgendwie jeder oder müsste doch jeder können? Das kann doch nicht so schwer sein! In all den Bildern der Medien sehen wir doch Tag für Tag wie spielend einfach alles ist – und bei all den anderen Familien geht es doch scheinbar auch?! Wie kommt es dann nur zu den vielen Trennungen und Scheidungen?
Wir sehen immer nur die eine Seite der Medaille! Familienleben gewinnbringend für alle zu organisieren und zu leben ist eine sehr vielschichtige Herausforderung. Und sich dabei auch noch als Paar im Blick zu behalten ist ein Geschenk. Warum sollten Eltern darauf verzichten?

Die Zauberwörter heißen: „der richtige Zeitpunkt“ und „professionelle Hilfe“.

Da, wo es in Beziehungen von Eltern anfängt, eng zu werden, müssen die Bedürfnisse jedes Einzelnen neu ins Blickfeld gerückt werden. Eine Voraussetzung muss geschaffen werden, das Gespräch wieder neu zu eröffnen.
Frei nach dem Motto „Alles bleibt anders …“ kann auf dieser Basis das Alltagsgeschehen einer Familie mit professioneller Begleitung wieder neu in Augenschein genommen und unter Einbeziehung möglichst vieler Wünsche und Bedürfnisse beider Elternteile und der Kinder neu geordnet werden.

Paarberatung und Paartherapie knüpft da an, wo sich Eltern einst mit ihren Wünschen und Hoffnungen für eine gemeinsame Familie aufgestellt hatten. Keine Garantie aber ein Weg mit hohen Erfolgschancen, wenn beide Elternteile sich darauf einlassen und ihn schon dann einschlagen, wenn zumindest noch ein Ohr für den Anderen offen ist!

Elke Wardin
Systemische Familientherapeutin

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