Können Kinder das verkraften?
Ist es unmoralisch, darüber nachzudenken oder womöglich sogar den Schritt zu gehen und tatsächlich eine neue Partnerschaft zu beginnen?
Ist es für Kinder eine Überforderung, wenn Eltern nach einer Trennung/Scheidung eine neue Beziehung eingehen?
Meine Antwort lautet: nein
nein, es ist nicht unmoralisch
und
nein, es ist keine Überforderung für Kinder
Meine Antwort lautet gleichermaßen: ja
ja, es ist eine große Herausforderung für die ganze Familie
und
ja, es ist eine große Verantwortung, die Eltern damit übernehmen
Eine Herausforderung
Wenn Eltern nach einer Trennung neue Partnerschaften/Beziehungen eingehen, geht das in der Regel einher mit positiven Gefühlen und Kinder mögen es sehr, wenn ihre Eltern sich wohl fühlen – sie freuen sich, wenn es ihren Eltern gut geht, da auch sie dann sehr von deren Ausgeglichenheit und Freude profitieren können. Dies gelingt jedoch nur, wenn Eltern in einer neuen Beziehung auch weiterhin eine verlässliche Beziehung zu ihren Kindern aufrechterhalten. Eine neue Beziehung der Eltern ist nicht gleichermaßen eine gewünschte neue Beziehung für die Kinder, in vielen Fällen sogar eher das Gegenteil: eine Konkurrenz.
Nun gibt es plötzlich jemanden, mit der/dem sie Mama oder Papa teilen sollen und das, nachdem gerade ihre ganze Familie auf den Kopf gestellt wurde und sie erst langsam anfangen, wieder Zutrauen in die neue Familiensituation zu finden.
Bedeutung für die Kinder
Neue Beziehungen der Eltern sollten eben auch dieses sein und vorerst gar nichts mit den Kindern zu tun haben. Sie sollten weder die Zeiten berühren, die den Kindern vorbehalten sind noch sollten sie sich emotional in die Beziehung von Eltern und Kinder schieben.
Hier kommt der große Vorteil getrennter Eltern zum Tragen – immer wenn die Kinder beim anderen Elternteil sind, verfügen sie über eigene freie Zeit …
Erst wenn eine neue Beziehung stabil ist und Eltern überzeugt sind, diese Person soll eine wichtige Rolle im Leben spielen, sollten die Kinder einbezogen werden – langsam und behutsam. Hier treffen „fremde Menschen“ aufeinander, die sich selbst nicht füreinander entschieden haben. Hier treffen Menschen aufeinander, die Zeit brauchen. Zeit, um sich kennen zu lernen, Zeit um aufeinander zu zugehen und Zeit, um langsam Erfahrungen miteinander zu machen …
Hier treffen Menschen aufeinander, die die Möglichkeit brauchen, eine eigene Beziehung zueinander aufzubauen und zu gestalten …
Dies birgt immer auch die Möglichkeit in sich, dass ein Beziehungsaufbau lange dauern kann und, dass dann die Beziehung nicht so eng ist, wie Eltern sich das vielleicht wünschen.
Kinder brauchen hier viel Zeit und es hilft ihnen sehr, sich neuen Partnern ihrer Eltern gegenüber zu öffnen, wenn sie sich der Beziehung zu ihrem Elternteil ganz sicher sein können.
Nach einer Trennung der Eltern brauchen Kinder erst einmal jede Menge Zeit mit ihnen alleine in der neuen Lebenssituation. Kinder bekommen Sicherheit über das Erleben. Sie benötigen wieder und wieder die Erfahrung, dass ihre beiden Eltern auch nach der Trennung noch für sie da sind und ihnen ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenken. Wenn dieser Prozess nicht gestört wird und sich stabilisiert, öffnen sich Kinder in der Regel gerne und lernen neue Menschen kennen …
Viel Sprechen hilft
Die Eindeutigkeit der Eltern darf nie in Frage gestellt werden. Aber wie funktioniert das dann mit neuen Partnern und den Kindern?
Es gibt keinen Kardinalweg aber es gibt die Möglichkeit in vielen Gesprächen heraus zu finden, was miteinander möglich ist und was nicht …
Familien sind so verschieden und Familien, in denen neue Menschen dazu kommen sind noch verschiedener …
Dieses Wort gibt es nicht aber die Familien schon und die Fragen, die beantwortet werden wollen:
- Wer hat welche Rolle?
- Wer hat welche Erwartungen?
- Wer hat welche Aufgaben?
Neue Partnerschaften/Beziehungen gelingen da gut, wo die Bedürfnisse der Einzelnen Berücksichtigung finden, insbesondere auch die der Kinder.
Elke Wardin
Systemische Familientherapeutin